Zum 4. Juli: Warum ich Amerika liebe

Ich erinnere mich genau: Es war ein unscheinbarer Nachmittag in den frühen 1980ern. Ich stand im Kinderzimmer meiner Schwester, in Freiburg, in der badischen Provinz. Es regnete draußen. Der Himmel war bleigrau. Irgendjemand hatte uns ein altes amerikanisches Magazin mitgebracht. Die Rückseite zeigte ein Werbefoto: Ein gelbes New Yorker Taxi in Bewegung, eine wehende US-Flagge im Hintergrund, dahinter die glitzernde Skyline von Manhattan. Ich starrte das Bild an wie verzaubert. Und irgendetwas in mir wusste – da gehöre ich hin.

Ich war sechs Jahre alt. Ich lebte in einem behüteten, aber engen Deutschland. Mein Vater war ein belesener, ideologisch klarer Mann. Ein deutscher Konservativer der alten Schule, streng katholisch, Anti-Kommunist bis ins Mark. In unserer Familie war Amerika mehr als ein Land. Es war die Hoffnung. Die Antwort. Der Westen in Reinform.

Auf dem Flur hing ein gerahmtes Foto vom Papst. Und in der Schublade lagen vergilbte Zeitungsausschnitte von Ronald Reagan. Mein Vater verehrte beide. Für ihn war die Welt klar aufgeteilt: Drüben waren die Guten – wir waren ihr kultureller Außenposten.

Er hatte sogar eine reale Möglichkeit, in die USA zu gehen – eine Stelle, die ihm angeboten wurde. Wir Kinder flehten ihn an, es zu tun. Wir wussten nicht viel, aber wir wussten: Dort ist es weit, dort ist es bunt, dort lebt man anders. Aber wie so oft im Leben war der Traum stärker als der Mut. Und so blieben wir. In Freiburg. In der gutbürgerlichen Enge. In einer Welt, die von Sicherheit geprägt war – aber nicht von Größe.

Und doch ließ mich Amerika nicht los.

Karl May, ein deutscher Westernheld – und erste Stationen im Westen

Ich verschlang Karl May. Für viele Deutsche war das Kindheitslektüre, für mich war es ein innerer Atlas. Ja, ich wusste: Er war nie in den USA gewesen. Aber das war mir egal. Er hatte etwas verstanden. Diese Geschichten von Old Shatterhand – dem stillen, moralischen Deutschen in der Wildnis, der sich Respekt verdient, Freundschaften schließt, Brücken baut – sie trafen bei mir einen Nerv. Sie gaben mir das Gefühl: Auch wir können dazugehören.

Ein merkwürdiger Zufall: Der erste große Verleger Karl Mays, Friedrich Ernst Fehsenfeld, hatte seinen Verlag in Freiburg gegründet. Die berühmte 'Freiburger Ausgabe' von Mays gesammelten Reiseromanen erschien genau dort, wo ich Jahrzehnte später als Schüler vorbeiging – auf dem Weg zum Gymnasium. Ich blieb oft stehen, sah auf das alte Verlagsgebäude und dachte: Das ist ein Zeichen.

Und ich folgte ihm. Nicht sofort nach Amerika – das war noch zu früh. Aber weg aus Deutschland. Meinen ersten "richtigen" Job trat ich bei PwC in Zürich an. Es war mein Einstieg in die Welt des internationalen Business. Später zog ich nach London, für eine Position bei der Allianz, mitten ins Herz der europäischen Finanzwelt. Ich lernte, wurde weiser, sah weiter.

Fünf Jahre später zog ich den Stecker. Ich verließ das Konzernleben und gründete meine eigene Firma – eine Entscheidung, die mir zum ersten Mal echte Freiheit gab. Und mit dieser Freiheit kam endlich auch das: Die Möglichkeit, dorthin zu gehen, wohin ich schon als Kind wollte.

Meine Ranch in Texas – und das Gefühl, endlich angekommen zu sein

Miami war mein erstes Ziel. Hitze, Palmen, Schweiß. Der Sound der Klimaanlagen, die kreischenden Möwen am Hafen, die Sirenen der Polizei, die pastellfarbenen Häuser im Art-Déco-Stil. Ich war da. Und ich war bereit.

Doch es war erst in Texas, wo ich ankam.

Ich kaufte mir eine Ranch. Ja, wirklich. Land. Zäune. Werkzeuge. Ein Pick-up-Truck. Es klingt wie ein Klischee – aber es war mein Leben. Ich stand morgens vor Sonnenaufgang auf, schlüpfte in meine Boots, nahm meinen Kaffee in der Thermotasse und ging raus, die Zäune kontrollieren. Die Luft war kühl, die Hügel grün, das Licht golden. Die Grillen zirpten, irgendwo bellte ein Hund.

Und während ich durch das Gras stapfte, dachte ich: Ich bin angekommen. Es war nicht rational. Es war ein Gefühl. Ein Gefühl von Verbundenheit – mit dem Land, mit der Geschichte, mit mir selbst.

Ich war allein. Ich war Vater. Ich war Unternehmer. Und ich war ein Mann auf seinem eigenen Stück Land – etwas, das in Europa fast undenkbar ist.

Wo alles begann – zwischen Eichen, Legenden und Ruinen

An einem dieser frühen Morgen, als die Sonne gerade begann, die sanften grünen Hügel östlich von Austin in warmes Licht zu tauchen, ging ich mit meinem Kaffee über die angrenzende Ranch – nicht mein eigenes Land, aber vertraut wie das eigene. Die Luft war frisch, die Eichen standen still, irgendwo rief ein Vogel, der Tag war noch ganz jung. Und dann sah ich sie: die steinernen Reste einer alten Behausung, halb überwachsen, aber deutlich sichtbar. Nichts Offizielles, kein Hinweisschild. Einfach ein stiller Ort, der sich nur dem offenbart, der langsam geht und hinsieht.

Mein Nachbar hatte mir erzählt, was hier einst war. Eine der ersten deutschen Siedlungen in der Gegend – vermutlich um 1846 gebaut, noch vor der Kirche von Rockne. Die Familien hießen Lehman, Wolf, Goertz. Sie hatten ihr ganzes Leben hierhergebracht – und einige verloren es auch. Ein Comanchenüberfall soll die Bewohner dieses Hauses getötet haben. Keine Legende, sondern überlieferte Geschichte. Keine Heldensaga – sondern das raue, erbarmungslose Leben der Frontier.

Ich stand da, die Hand an der Thermotasse, und sah auf das, was geblieben war. Keine Grabsteine – aber man spürte den Tod. Und das Leben davor. Ich stellte mir vor, wie sie hier lebten. Wie sie Wasser holten, Kinder zur Welt brachten, beteten, arbeiteten, hofften – und dann, plötzlich, verschwanden.

Und ich, über hundert Jahre später, ein anderer Deutscher, lief über denselben Boden. Ich war nicht auf der Suche nach Geschichte. Und doch hatte sie mich gefunden.

In diesem Moment war mir klar: Ich war nicht der Erste. Und nicht allein.

Was bleibt, wenn man alles gelebt hat?

Dann waren da die Jagdwochenenden mit den Jungs. Die BBQ-Abende auf der Veranda. Die Musik. Country. Willie Nelson. Johnny Cash. Die Gespräche über Trucks und Gott. Das Lachen meines besten Freundes David, der heute nicht mehr lebt. Aber ich höre es noch. Shiner Bock in der Hand. Sternenhimmel über uns.

Ich zog meine Kinder auf der Ranch groß. Nach der Trennung von ihrer Mutter waren es schwere Jahre. Aber auch echte, unverfälschte. Ich erinnere mich an Lagerfeuer mit Marshmallows. An das Lachen. An Verletzungen und Umarmungen. Texas hat mich als Vater geformt. Und Amerika hat mich gehalten, in einer Zeit, in der ich selbst oft wankte.

Schon mit meiner Ankunft in den USA hatte ich die Kanzlei Mount Bonnell gegründet als Ableger der Londoner Kanzlei. Ich war nicht gekommen, um mich langsam einzugewöhnen, sondern um loszulegen. Ich lernte das amerikanische Geschäftsklima kennen – schnell, direkt, gnadenlos, aber voller Möglichkeiten. Kein Jammern. Kein ewiges Abwägen. Just do it. Ich half anderen Deutschen, sich in diesem Land zurechtzufinden – und helfe ihnen bis heute. 

Heute lebe ich noch immer in Austin – auch wenn ich inzwischen viel Zeit in Großbritannien verbringe, denn meine neue Partnerin ist Britin. Aber mein Herz? Ein Teil davon ist noch immer auf meiner alten Ranch – die ich nicht mehr habe, aber nie vergessen werde. Eines Tages, wenn ich es mir wieder leisten kann, will ich mir eine neue kaufen.

Wenn ich die Augen schließe, sehe ich die langen texanischen Highways. Ich rieche das BBQ. Ich höre das Surren der Zikaden. Ich spüre den Staub auf meinen Stiefeln. Ich sehe meinen alten Pick-up unter den Eichen stehen. Ich höre David lachen, irgendwo aus der Ferne. Ich sehe meine Kinder am Lagerfeuer. Und ich sehe mich selbst, wie ich über mein Land gehe – mit Stolz, mit Dankbarkeit, mit Demut.

Amerika ist nicht perfekt. Natürlich nicht. Es ist roh. Es ist laut. Es ist widersprüchlich. Aber es ist echt. Und vor allem: Es gibt dir die Freiheit, du selbst zu sein.

Und während heute alle von Dubai oder Thailand reden – von Steueroptimierung und digitalen Nomaden – denke ich oft:

Es gibt noch Menschen, die träumen von Amerika. Die spüren, dass dort mehr ist als Sonne und Dollar. Die spüren: Das ist ein Ort, der dich wachsen lässt – nicht trotz der Härte, sondern wegen ihr.

Wenn Sie einer dieser Menschen sind – wenn Sie den amerikanischen Traum noch nicht aufgegeben haben – dann melden Sie sich. Ich habe ihn gelebt. Ich kenne den Weg. Und ich helfe Ihnen gern, Ihren eigenen zu finden.

Denn:
Ich liebe Amerika. Nicht weil es vernünftig ist. Sondern weil es sich richtig anfühlt!

Und vielleicht ist genau das, was der 4. Juli für mich bedeutet. Nicht nur Feuerwerk, Flaggen und Nationalhymnen – sondern der tiefe, unerschütterliche Glaube daran, dass Menschen das Recht haben, frei zu sein. Ihren eigenen Weg zu gehen. Zu träumen, zu scheitern, aufzustehen. In diesem Land, mit all seinen Widersprüchen, habe ich diesen Geist gespürt – auf meiner Ranch, in den Städten, in der Freundschaft, in der Arbeit. Und deshalb feiere ich diesen Tag – nicht als Amerikaner auf dem Papier, sondern als einer, der sein Herz dort verloren hat.