US-Steuererklärungspflicht bei Aufenthalt mit B1/B2-Visum (oder ESTA)

Wer als Deutscher, Österreicher oder Schweizer regelmäßig geschäftlich in die USA reist – etwa zur Überwachung einer Maschineninstallation, zur Schulung von Kunden oder zur Teilnahme an Vertragsverhandlungen – nutzt häufig ein sogenanntes B1/B2-Visum. Alternativ verwenden viele Reisende das ESTA-Programm, das visumfreies Reisen für bis zu 90 Tage pro Einreise erlaubt.

Doch sowohl bei einem Aufenthalt mit B1/B2-Visum als auch mit ESTA kann eine US-Steuererklärungspflicht entstehen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Das Visum selbst schützt nicht vor steuerlichen Konsequenzen – entscheidend ist, was Sie in den USA tun, wie lange Sie bleiben und ob eine steuerliche Ansässigkeit entsteht.

In diesem Artikel zeigen wir:

  • wann man ein B1/B2 statt ESTA benötigt,

  • wann eine Steuerpflicht entsteht,

  • wie das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eingreift,

  • welche Formulare erforderlich sind,

  • und welche Risiken eine Nichtmeldung birgt.


1. Wann B1/B2 statt ESTA?

Das Visa Waiver Program (ESTA) erlaubt Geschäfts- und Touristenreisen von bis zu 90 Tagen pro Einreise – ohne vorherige Beantragung eines Visums. Es eignet sich für kurzfristige Besuche wie:

  • Vertragsverhandlungen

  • Teilnahme an Messen

  • Treffen mit Geschäftspartnern

  • begrenzte technische Aufsicht

Ein B1/B2-Visum ist hingegen zu bevorzugen, wenn:

  • der Aufenthalt mehr als 90 Tage dauern soll,

  • mehrere Einreisen in kurzer Folge geplant sind (auch wenn ESTA dies grundsätzlich erlaubt, kann es an der Grenze zu Problemen kommen),

  • bereits frühere ESTA-Einreisen stattgefunden haben und ein Verdacht auf Missbrauch entstehen könnte (z. B. de-facto-Aufenthalt),

  • mehr Rechtssicherheit für technische Tätigkeiten oder Projektüberwachung erforderlich ist.

Wichtig: Auch bei Aufenthalten mit ESTA können dieselben steuerlichen Folgen entstehen – insbesondere bei wiederholten oder längeren Einsätzen. Die Einreiseart ändert nichts an den US-Steuerpflichten.


2. Steuerpflicht unabhängig vom Visum

Die USA besteuern nicht nur Bürger und Greencard-Inhaber, sondern auch ausländische Personen, die Einkünfte aus US-Quellen erzielen oder sich zu lange dort aufhalten.

Maßgeblich sind zwei Kriterien:

  1. Substantial Presence Test (SPT) – physischer Aufenthalt

  2. Quelle des Einkommens – wo wird die Leistung erbracht?

Das bedeutet: Auch wenn Sie formell „nur zu Besuch“ sind, können Sie in den Augen des IRS als steuerlich ansässig gelten und zur Abgabe einer US-Steuererklärung verpflichtet sein.


3. Substantial Presence Test: Wann werde ich US-Steuerinländer?

Sie gelten als steuerlich ansässig („resident alien“), wenn Sie:

  • im laufenden Kalenderjahr mindestens 31 Tage in den USA waren und

  • in den letzten drei Jahren insgesamt 183 gewichtete Anwesenheitstage erreicht haben:

Berechnung:

  • Tage im aktuellen Jahr × 1

  • Tage im Vorjahr × ⅓

  • Tage im Vorvorjahr × ⅙

Beispiel:
Ein deutscher Techniker ist je 120 Tage pro Jahr in den USA:

  • 2025: 120 → 120

  • 2024: 120 → 40

  • 2023: 120 → 20
    = 180 TageNicht steuerlich ansässig
    Ab 122 Tagen im aktuellen Jahr wird Schwelle überschritten.

Wer den Test besteht, gilt als US-Steuerinländer mit weltweiter Steuerpflicht – und muss das Formular 1040 (nicht 1040NR!) abgeben.


4. Doppelbesteuerungsabkommen: Schutz durch das DBA?

Die USA haben mit Deutschland, Österreich und der Schweiz jeweils ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geschlossen. Dieses regelt, welches Land das Besteuerungsrecht hat.

Für Angestellte relevant ist Artikel 15 – Nichtselbständige Arbeit.

Demnach besteuert nur der Wohnsitzstaat (z. B. Deutschland) das Einkommen, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:

  1. Aufenthalt in den USA nicht mehr als 183 Tage im Kalenderjahr,

  2. Arbeitgeber hat keinen Sitz in den USA,

  3. Vergütung wird nicht von einer US-Betriebsstätte getragen.

Treffen alle drei Bedingungen zu, kann der Arbeitnehmer eine Freistellung in den USA beantragen.

Doch Achtung:

  • Die „183-Tage-Regel“ im DBA ist nicht identisch mit dem Substantial Presence Test!

  • Auch wer nach DBA nicht besteuert wird, muss ggf. trotzdem eine Steuererklärung einreichen, um den Vertragsschutz zu beantragen.


5. Welches Steuerformular? 1040 oder 1040NR?

Die Wahl des Formulars richtet sich nach dem steuerlichen Status:

Status Formular Beschreibung
Nicht ansässig 1040NR Nur US-Quellen-Einkommen muss versteuert werden
Ansässig 1040 Weltweites Einkommen muss erklärt werden

Zusätzlich erforderlich bei Berufung auf DBA:

  • Form 8833 („Treaty-Based Return Position Disclosure Statement“), um die Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens geltend zu machen.

Beispiel: Ein Deutscher erfüllt den Substantial Presence Test, beruft sich aber auf das DBA (Art. 15). Dann:

  • Form 1040 (weil ansässig)

  • Form 8833 (um DBA anzuwenden und Einkommen freizustellen)


6. Steuerliche Fristen und Verlängerung

Die Fristen zur Abgabe richten sich nach dem jeweiligen Status:

Status Frist
Ansässige (1040) 15. April des Folgejahres
Nichtansässige (1040NR) 15. Juni des Folgejahres

Eine Verlängerung ist möglich:

  • Für 1040: Form 4868 → Verlängerung bis 15. Oktober

  • Für 1040NR: Form 4868 + Hinweis „nonresident alien“ auf dem Umschlag

Achtung: Die Fristverlängerung gilt nur für die Einreichung, nicht für die Zahlung. Fällige Steuern sind bis zur ursprünglichen Frist zu begleichen.

Weltweites Einkommen – auch ohne US-Steuerlast meldepflichtig

Selbst wenn nach Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens in den USA voraussichtlich keine Steuer zu zahlen ist, besteht dennoch die Pflicht zur Offenlegung des weltweiten Einkommens. Wer nach dem Substantial Presence Test als steuerlich ansässig gilt (Form 1040), muss alle Einkünfte angeben – auch solche aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Dazu zählen:

  • Gehalt

  • Kapitalerträge (z. B. Zinsen, Dividenden)

  • Mieteinkünfte

  • Unternehmensgewinne

  • sogar ausländische Rentenzahlungen

In der Praxis führt dies häufig zu einer paradoxen Situation: Die Steuer selbst ist gering oder entfällt ganz, doch der bürokratische Aufwand – von der Aufbereitung ausländischer Einkünfte über Umrechnungskurse bis hin zur korrekten Angabe auf dem US-Formular – ist erheblich. In vielen Fällen ist die Steuerberatung teurer als die Steuer, was die USA zu einem der anspruchsvollsten Länder in Sachen Tax Compliance macht.


7. Beispiele aus der Praxis

Fall 1: Der Deutsche in Texas

Ein deutscher Techniker ist 4× im Jahr je 35 Tage in Texas, um Maschineninstallationen zu überwachen. Sein Arbeitgeber sitzt in Deutschland.

  • Aufenthalt: 140 Tage

  • Tätigkeit vor Ort erbracht → teilweise US-Quellen-Einkommen

  • DBA greift, da <183 Tage, Arbeitgeber nicht ansässig, keine Betriebsstätte
    Form 1040NR + Form 8833, um Freistellung zu beantragen

Fall 2: Der Österreicher in Illinois

Ein Projektleiter aus Linz ist für 190 Tage in den USA, um ein Fertigungsprojekt zu begleiten.

  • Aufenthalt: >183 Tage → DBA greift nicht

  • Tätigkeit in den USA → anteiliges US-Quellen-Einkommen
    Form 1040 (wenn SPT erfüllt) + Form 8833


8. Risiken bei fehlender Steuererklärung

Ein Verstoß gegen die Meldepflichten kann gravierende Folgen haben:

  • Steuerliche Nachforderungen + Zinsen

  • Bußgelder wegen verspäteter Abgabe

  • Schwierigkeiten bei künftigen Visa-Anträgen oder Einreisen

  • Erfassung im IRS-System („compliance history“)

  • Probleme bei späterer Greencard-Beantragung

Selbst bei erklärter Steuerfreiheit durch das DBA ist die Einreichung erforderlich, sonst wird die Entlastung nicht anerkannt.


9. Unsere Empfehlung

Sowohl Unternehmen als auch betroffene Mitarbeiter sollten folgendes beachten:

  • Aufenthaltszeiten erfassen und dokumentieren

  • Substantial Presence Test jährlich prüfen

  • Abklären, ob DBA greift

  • Steuererklärung fristgerecht einreichen

  • Bei Berufung auf das DBA: Form 8833 beilegen

Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei allen Fragen rund um die Einhaltung Ihrer US-Steuerpflichten – ob es um die Erstellung von Form 1040, 1040NR oder 8833 geht.


Fazit

Die steuerlichen Pflichten bei einem Aufenthalt mit B1/B2-Visum oder ESTA werden häufig unterschätzt. Wer geschäftlich in den USA tätig ist – auch ohne US-Gehalt oder Arbeitsvisum –, kann schnell in eine Steuerpflicht geraten. Entscheidend sind Dauer, Tätigkeitsart und steuerliche Ansässigkeit – nicht das Visum.

Mit professioneller Vorbereitung, einem klaren Verständnis der DBA-Regelungen und der fristgerechten Abgabe der richtigen Formulare lassen sich Risiken vermeiden und steuerliche Nachteile abwenden.


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Wenn Sie unsicher sind, ob Sie oder Ihre Mitarbeiter eine US-Steuererklärung abgeben müssen, oder wenn Sie Hilfe bei der Erstellung von Form 1040, 1040NR oder Form 8833 benötigen, stehen wir Ihnen gerne zur Seite:

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