„Nur mal kurz rüberfliegen“ – und plötzlich steht HSI vor dem Tor

Was der Mega-Raid bei Hyundai in Georgia für Ihr Unternehmen bedeutet – und wie Sie B-1/ESTA-Reisen rechtssicher einsetzen

Am Donnerstag um 6:07 Uhr rollten die SUVs an. Blaue Windbreaker, gelbe Buchstaben. Auf dem gigantischen EV-Megasite bei Savannah, Georgia, wo Hyundai und LG Energy eine Batteriefabrik aus dem Boden stampfen, ging plötzlich nichts mehr. Kräne standen still, Arbeiter rannten, manche sprangen in einen Klärteich, andere legten die Ausweise auf den Boden und hoben die Hände. Am Ende des Tages: rund 475 Festnahmen – die größte Einzel-Razzia in der Geschichte von Homeland Security Investigations (HSI). Mehr als 300 der Festgenommenen waren südkoreanische Staatsbürger. Die Baustelle: pausiert. Die Schlagzeile: global.

Wenn Sie jetzt denken: „Das waren doch nur Subunternehmer, unsere Leute sind doch nur zur Schulung da, B-1, maximal ESTA!“ – genau hier liegt die unternehmerische Sprengkraft dieser Geschichte. Der Vorwurf der Behörden: Ein Mix aus illegal Eingereisten, Visa-Overstays und Personen, die mit B-1/ESTA Dinge taten, die sie nicht durften. Und plötzlich kollidieren zwei Staatsziele – Durchsetzung von Einwanderungsrecht und „Bring Manufacturing Home“ – auf Ihrem Werksgelände.

Die bittere Lektion aus Georgia

Nicht Ihre Pressemitteilung und nicht die Namensschilder entscheiden, was „Arbeit“ in den USA ist, sondern US-Recht – angewandt von HSI/ICE, CBP an der Grenze und später von Staatsanwälten und Gerichten. „Wir waren doch nur zum Training da“ hilft nicht, wenn der Alltag vor Ort anders aussieht.

Warum das Sie betrifft – auch ohne „eigene“ Festnahmen:

  • Subunternehmerkette: Wer bei Ihnen aufs Gelände kommt, arbeitet an Ihrem Projekt. Ermittler schauen heute systematisch durch die Kaskade aus Contractorn und Subcontractorn. „Nicht unser Payroll“ ist kein Schutzschild.

  • Operational Shutdown-Risiko: Eine Stunde HSI am Tor kann Monate Bauverzug bedeuten.

  • Reputations- und Konsularrisiko: Wenn Regierungen ihrer entsandten Bürger wegen protestieren, sind Sie in einer geopolitischen Geschichte gelandet, nicht nur in einer HR-Frage.

Was ist auf B-1/ESTA wirklich erlaubt – und was nicht?

Die B-1-Business-Visitor-Schiene (und ESTA/WB als visumfreies Pendant) ist eng. Erlaubt sind geschäftliche Tätigkeiten, keine produktive Arbeit. Das Außenministerium und die FAM (Foreign Affairs Manual) nennen u. a.: Meetings, Vertragsverhandlungen, Consulting, die Teilnahme an Konferenzen, Beobachtung/Training ohne produktive Leistung. Nicht erlaubt ist alles, was „produktive Arbeit“ ist – also Leistungen, die einem US-Arbeitgeber unmittelbar zugutekommen, typische Tag-für-Tag-Aufgaben, Leistungsdruck, Output-Ziele, Linien- oder Baustellentätigkeit.

Sonderfall „After-Sales-Service“ (B-1): In schmalen Konstellationen darf ein ausländischer Hersteller eigene, im Ausland gekaufte Maschinen in den USA installieren/servicen oder US-Personal anleiten, wenn der Vertrag das ausdrücklich vorsieht und kein US-Arbeitsverhältnis entsteht. Auch das ist zeitlich eng, inhaltlich begrenzt und kein Freifahrtschein für Baustellenarbeit.

ESTA/Visa Waiver ist keine Arbeitsgenehmigung. Es ist schlicht ein Kurzaufenthalt für Tourismus/Geschäftsbesuche – mit denselben engen Grenzen wie B-1. Produktive Arbeit ist tabu.

„Training“ vs. „Hands-on“ – die rote Linie

  • Erlaubt: Zuhören, zuschauen, Schulung bekommen oder geben, sofern keine produktive Leistung für eine US-Einheit entsteht; keine Linienverantwortung, keine operativen Entscheidungen vor Ort.

  • Nicht erlaubt: Bedienen von Maschinen, Mitwirken an der Fertigung, Leitungsfunktionen, Projektmanagement im Tagesgeschäft, Qualitätsabnahmen, Schicht-/Teamführung, Bau-/Montagearbeiten – kurz: alles, was Output erzeugt.

Arbeitgeberpflichten: I-9, E-Verify & die Falle „Contractor macht das schon“

Für jede Person im US-Arbeitsverhältnis ist Form I-9 Pflicht – unabhängig von Staatsangehörigkeit. Wer Subunternehmer beschäftigt, braucht vertragliche Kontrollrechte, Audits, Badging-Regeln und Zugangskontrollen, damit keine unberechtigten Arbeitskräfte auf Ihrer Baustelle produktiv tätig sind. „Wir wussten von nichts“ zählt dünn, wenn Systemfehler offenkundig sind.

Ihre 60-Tage-Feuerwehrliste (praxisnah & hart an der Realität)

1) Karten auf den Tisch.
Erstellen Sie eine People-Map: Wer ist vor Ort? Eigenpersonal, Leiharbeit, Sub-/Sub-Sub? Welche Visa/Status, welche Aufgaben? Agenda & Tätigkeitsprofil je Person schriftlich.

2) Tätigkeiten entflechten.
Trennen Sie „erlaubtes Geschäftliches“ (Meeting/Schulung) strikt von „produktiver Arbeit“ (Linie, Bau, Montage). Keine Tools, keine PPE, kein Output für B-1/ESTA-Reisende. Keine US-E-Mail-Signaturen mit Jobtiteln („Site Supervisor“) für Besucher.

3) Dokumente wasserdicht.

  • Einladungen mit präziser Zweckbeschreibung (Meetings/Training), Dauer, Kostenübernahme (nur Spesen).

  • Training-Pläne: „Observe/Shadow“ statt „Operate“.

  • No-Work-Acknowledgments unterschreiben lassen (Besucher & Vorgesetzte).

  • After-Sales-Service: Nur, wenn Vertrag das hergibt – exakt dokumentieren.

4) Zugang & Badging.
Visiting-Badges mit anderen Farben, kein Zutritt zu Produktionszonen ohne Escort, kein Schicht-Planner-Zugang, kein Tool-Checkout.

5) Subcontractor-Kaskade abdichten.
Flow-Down-Klauseln zu Immigration-Compliance, Audit-Rechten, Indemnity, On-Site-Kontrollen, Sofort-Austausch von Personal bei Statuszweifeln. Monatliche Field-Audits mit Fotodokumentation.

6) I-9/E-Verify-Hygiene.
Wo Arbeitsverhältnis besteht: I-9 lückenlos, E-Verify nach State-Law/öffentlichen Auflagen, Retention & Remediation nach ICE-Leitfaden. Schulung für HR/Foremen: Dokumente prüfen, aber nicht diskriminieren.

7) Richtige Visa für echte Arbeit.
Wenn Aufgaben produktiv sind, brauchen Sie Arbeitsvisa (z. B. H-1B, L-1, ggf. E-2/E-1 bei Struktur, TN für Kan/Mex). B-1/ESTA ist dann keine Option.

8) Dawn-Raid-Plan.
Benennen Sie Incident Leads, Legal Hold-Prozess, Kommunikationslinien, Kein Hindernis-Verhalten, geordnete ID-Prüfung am Tor, Dokumenten-Room für Agents. Schulung der Führungskräfte: Was sagen, was nicht, keine falschen Angaben.

Häufige Denkfehler – direkt aus der Praxis

  • „Er wird ja aus Korea bezahlt.“
    Irrelevant. Ort und Art der Tätigkeit zählen – nicht, wo die Lohnabrechnung läuft.

  • „Nur zwei Wochen hier.“
    Dauer ≠ Legalität. Zwei Wochen produktive Arbeit sind zwei Wochen illegal.

  • „Training heißt arbeiten lassen.“
    Training ≠ Output. Wer schraubt, produziert. Wer beobachtet/erklärt, produziert nicht.

  • „Contractor-Problem, nicht unseres.“
    Wenn Ihre Baustelle stillsteht, ist es Ihr Problem. Ermittler lesen Verträge – und ziehen jede Stufe der Kette.

Was Ihnen konkret droht – und was Sie gewinnen können

Risiken:
Operationaler Stillstand, Millionenverzug, Vertragsstrafen, zivil-/strafrechtliche Konsequenzen (harboring/document fraud), Ausschluss von Förderprogrammen, Konsular-Gegenwind bei künftigen Visa.

Chancen (wenn Sie jetzt handeln):

  • Planbare Mobilität: Klare Pfade für Meetings/Training (B-1/ESTA) vs. produktive Einsätze (H/L/E/TN).

  • Robuste Supply-Chain: Subcontractor-Compliance als Wettbewerbsvorteil in Ausschreibungen.

  • Schnellere Grenzabfertigung: Saubere Dokumentlage reduziert Secondary Inspection.

Unser Rat als Kanzlei: Drei Ebenen sofort umsetzen

  1. Policy & Schulung: Eine zweiseitige, verständliche On-Site-Policy schlägt 40 Seiten Juristenprosa. Jede Führungskraft muss die rote Linie kennen.

  2. Visa-Design & Roadmaps: Rollen-Katalog (Meeting/Training vs. produktiv), Visa-Matrizen, Pre-Travel-Clearance.

  3. Kontrollen im Feld: Badging, Zugang, wöchentliche Walk-Throughs, Audit-Fotos, Sub-Sub-Nachweise.

Georgia war ein Paukenschlag. Wer jetzt sagt „Bei uns unmöglich“, spielt russisches Roulette mit Baustellen, Lieferketten und Markenwert. Wer sagt „Wir drehen das sauber“, baut nicht nur Fabriken, sondern Vertrauen.

Wenn Sie Ihre US-Projekte rechtssicher aufstellen wollen – ohne den Blutdruck bei der nächsten HSI-Pressekonferenz: Wir entwickeln mit Ihnen in 10 Tagen ein praktikables Mobilitäts- & On-Site-Compliance-System, abgestimmt auf Ihre Lieferkette.

Sprechen wir.