Irischer Tourist 100 Tage in US-Haft? Warum Sie sich als US-Urlauber trotzdem keine Sorgen machen müssen
Immer wieder heißt es, Touristen würden in den USA grundlos verhaftet. Doch stimmt das wirklich? Eine fachliche Einordnung.
Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrfach über dramatisierende Medienberichte rund um die US-Einwanderungsbehörden berichtet – sowohl in Artikeln auf dieser Website als auch in Videos auf unserem YouTube-Kanal Perspektive Ausland.
Immer wieder kursieren in deutsch- und englischsprachigen Medien Schlagzeilen, die den Eindruck erwecken, als würden selbst Touristen aus EU-Staaten in den USA willkürlich verhaftet, abgeschoben oder wie Schwerverbrecher behandelt.
Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Oft fehlt diesen Berichten der Kontext – oder es wird ganz bewusst nur die halbe Geschichte erzählt.
Ein aktuelles Beispiel liefert ein Artikel der britischen Zeitung The Guardian, veröffentlicht am 15. Juli 2025, mit einer Schlagzeile, die viele Leser aufhorchen ließ: „Irish tourist jailed by Ice for months after overstaying US visit by three days“
Ein irischer Staatsbürger soll demnach wegen einer dreitägigen Überschreitung seines visumfreien Aufenthalts im Rahmen des Visa Waiver-Programms (ESTA) von den US-Behörden festgehalten worden sein – und das ganze 100 Tage lang unter angeblich menschenunwürdigen Bedingungen.
Der Artikel lässt keinen Zweifel daran: Das US-Einwanderungssystem sei ein erbarmungsloser Apparat, in dem niemand mehr sicher sei – nicht einmal europäische Touristen.
Wir sagen: Das ist falsch. Und gefährlich irreführend.
Wer wir sind – und warum wir das beurteilen können
Unsere Kanzlei berät seit vielen Jahren deutschsprachige Mandanten bei der Einwanderung in die USA – ob für Firmengründung, Investorenvisum, Familiennachzug oder Aufenthalt als digitaler Nomade.
Unser Kanzleigründer ist selbst 2008 in die USA ausgewandert und kennt das System nicht nur als Experte, sondern aus eigener Erfahrung. Wir arbeiten regelmäßig mit Mandanten, die mit ESTA oder Touristenvisa in die USA einreisen – und auch mit jenen, bei denen es einmal nicht glatt lief.
Und deshalb können wir mit Überzeugung sagen:
Wer mit ESTA legal einreist, sich korrekt verhält und keine strafrechtlichen Probleme verursacht, wird nicht plötzlich festgenommen – auch nicht, wenn er aus gesundheitlichen Gründen ein paar Tage zu spät abreist.
Dennoch gilt: Eine Überschreitung der erlaubten Aufenthaltsdauer – selbst um wenige Tage – sollte unbedingt vermieden werden, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Denn auch wenn daraus in der Praxis meist keine sofortigen Konsequenzen entstehen, kann ein Overstay dazu führen, dass man künftig nicht mehr mit ESTA einreisen darf und stattdessen ein Visum beantragen muss.
Reisen in die USA sind sicher. Touristen auf VWP und ESTA brauchen keine Angst zu haben.
Was der Guardian verschweigt
Der Artikel beschreibt den Fall eines gewissen „Thomas“ (Name geändert), eines 35-jährigen Iren, der mit dem Visa Waiver Program (ESTA) in die USA reiste und angeblich wegen einer dreitägigen Überziehung seiner Aufenthaltserlaubnis festgenommen und 100 Tage lang inhaftiert wurde.
Doch schon beim Lesen fällt auf: Entscheidende Details fehlen – andere werden bewusst vernebelt.
Denn Thomas wurde nicht einfach aus heiterem Himmel von ICE aufgegriffen. Der eigentliche Auslöser war:
Freiheitsberaubung – der eigentliche Grund für seine Verhaftung
Mitten im Artikel, fast beiläufig, erwähnt The Guardian, dass Thomas von der Polizei festgenommen wurde – wegen des Verdachts auf Freiheitsberaubung („false imprisonment“) in einem Hotelzimmer in Georgia. Die mutmaßlich Geschädigte war seine US-amerikanische Freundin, mit der er zu dem Zeitpunkt unterwegs war.
Zwischen den beiden war ein Streit entbrannt, der so heftig war, dass sich das Hotelpersonal genötigt sah, die Polizei zu rufen.
Bei Freiheitsberaubung handelt es sich keineswegs um einen belanglosen Vorwurf, sondern um einen ernsten Straftatbestand, der in den USA oft im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt steht. Wird jemand beschuldigt, eine andere Person gegen deren Willen in einem Hotelzimmer festgehalten zu haben, ist das kein Missverständnis, sondern ein Delikt, das mit Haftstrafen geahndet werden kann.
Besonders bezeichnend ist, wie The Guardian diesen Vorfall entschuldigt: Der Vorwurf der Freiheitsberaubung wird dort nicht etwa als das benannt, was er ist – ein möglicher Fall häuslicher Gewalt –, sondern auf einen „Nervenzusammenbruch“ des Mannes zurückgeführt.
Offenbar gilt: Wenn es zur Opfererzählung passt, wird häusliche Gewalt nicht klar als solche identifiziert, sondern psychologisiert.
Was sonst als „toxisch“ und „alarmierend“ gelten würde, wird in diesem Fall zur menschlichen Schwäche umgedeutet. Verantwortung? Fehlanzeige.
Auch wenn die Freundin laut Artikel später erklärte, sie habe keine Anklage gewollt – in den USA spielt das keine Rolle. Sobald die Polizei einen Anfangsverdacht auf eine Gewaltstraftat hat, wird eingegriffen. Das ist kein Fehler, sondern rechtsstaatliches Handeln.
Thomas wurde anschließend gegen Kaution entlassen – was in der Regel nur dann geschieht, wenn tatsächlich eine formelle Anklage im Raum steht. An diesem Punkt kam ICE ins Spiel. Wer sich ohne gültigen Aufenthaltsstatus in den USA befindet und strafrechtlich auffällig wird, landet häufig in Abschiebehaft – selbst wenn das Verfahren später eingestellt oder fallengelassen wird.
Kurz gesagt: Die Behauptung, er sei nur wegen dreier Tage Overstay verhaftet worden, hält keiner Überprüfung stand.
Doch selbst wenn man diese Darstellung für einen Moment ernst nimmt – auch dann ergibt sie kaum Sinn. Denn selbst bei einer geringfügigen Überschreitung der Aufenthaltsdauer aufgrund medizinischer Umstände hätte die Sache normalerweise schnell geklärt werden können.
Wadenzerrung als Ausrede?
Thomas erklärt seine verspätete Ausreise damit, dass er sich eine Wadenzerrung zugezogen habe und ihm der Arzt aus medizinischer Vorsicht wegen Thrombosegefahr vom Fliegen abgeraten habe – für bis zu drei Monate.
Ganz ehrlich: Das klingt nach einer Ausrede.
Natürlich kann in Ausnahmefällen eine Flugreise bei akuten Muskelverletzungen problematisch sein. Aber eine dreimonatige Reiseunfähigkeit wegen einer Wadenzerrung? Wohl kaum. Wer schon einmal eine Sportverletzung hatte, weiß, dass sich so etwas mit Kompressionsstrümpfen und etwas Vorsicht durchaus mit einem Rückflug vereinbaren lässt.
Und selbst wenn der medizinische Rat berechtigt war:
Dann hätte er einfach das Land verlassen sollen, sobald es wieder möglich war.
Wer das Visa Waiver Program (ESTA) um ein paar Tage überzieht – etwa aus gesundheitlichen Gründen – kann das in vielen Fällen nachträglich klären, insbesondere bei Vorlage ärztlicher Belege. Möglicherweise hätte Thomas in Zukunft nicht mehr mit ESTA einreisen dürfen, sondern müsste stattdessen ein B1/B2-Visum beantragen.
Aber: Eine zehnjährige Einreisesperre oder gar eine Inhaftierung für 100 Tage wäre nicht die logische oder übliche Folge – es sei denn, weitere Umstände waren im Spiel, die der Artikel bewusst auslässt.
Und womit hat er seinen Aufenthalt finanziert?
Thomas war laut Guardian insgesamt rund sechs Monate in den USA – erst mit ESTA, dann in Haft. Und die entscheidende Frage stellt der Artikel nicht:
Wie hat er sich finanziert?
War er remote für eine Firma tätig? Dann hätte er gegen das ESTA-Programm verstoßen.
Hat er in den USA gearbeitet? Dann wäre das ein Fall von Verstoß gegen die Bedingungen des visumfreien Aufenthalts – mit entsprechend schweren Konsequenzen.
Oder hat er einfach kein Einkommen nachgewiesen?
Der Guardian erwähnt es mit keinem Wort – aus gutem Grund. Jede Antwort würde den Eindruck eines „unschuldigen Touristen“ untergraben.
Rückflug unter Bewachung – ein ungewöhnliches Detail
Besonders bemerkenswert ist ein weiteres Detail, das im Artikel ebenfalls fast beiläufig erwähnt wird: Zwei bewaffnete Bundesbeamte hätten Thomas persönlich auf dem Flug zurück nach Irland begleitet.
Wer mit den Abläufen bei Abschiebungen aus den USA vertraut ist, weiß: Das passiert nicht bei Standardfällen.
Eine solche eskortierte Rückführung ist in der Praxis äußerst ungewöhnlich und wird nur bei besonders heiklen Fällen angeordnet – etwa bei Personen, die als fluchtgefährdet gelten, bereits Widerstand geleistet haben, psychisch auffällig geworden sind oder eine sicherheitsrelevante Vorgeschichte haben.
Wir wissen nicht, was in diesem Fall tatsächlich vorlag – und wir unterstellen auch nichts.
Aber die Tatsache, dass ein einfacher Visa-Waiver-Overstay mit bewaffneter Eskorte endet, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die offizielle Darstellung des Falles nicht vollständig sein kann.
Tränendrüsenjournalismus statt Fakten
Statt sich auf überprüfbare Fakten zu stützen, schwelgt der Guardian in dramatischen, teils grotesken Beschreibungen:
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Thomas bekam angeblich nur „eine Rolle Toilettenpapier pro Woche“
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Die Unterwäsche war „mit braunen Flecken verschmutzt“
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Seine Medikamente wurden „unter der Zellentür hindurchgeworfen“
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Er habe „wochenlang nicht den Himmel gesehen“
Kein Beleg, keine Fotos, keine offiziellen Dokumente. Nur sein eigenes, dramatisch aufgeladenes Narrativ – abgeschirmt durch einen anonymisierten Namen, eine Freundin mit Pseudonym und einen Anwalt, der nichts Konkretes sagt.
Das ist kein Journalismus, das ist Gefühlspropaganda.
Vergleich mit anderen Ländern? Irreführend
Einige Leser kommentieren, dass es in anderen Ländern kaum vergleichbare Inhaftierungen gibt. In Kanada sollen laut Statistik nur 229 Personen in „Immigration Detention“ sein, im Vereinigten Königreich unter 2.000 – in den USA über 50.000.
Doch das ist kein valider Vergleich.
In vielen europäischen Staaten wie Deutschland oder Frankreich wird schlicht nicht konsequent kontrolliert oder abgeschoben. Abgelehnte Asylbewerber bleiben oft jahrelang im Land, tauchen unter oder erhalten durch politische Amnestien Duldung.
Die USA hingegen versuchen, ihre Einwanderungsgesetze zumindest zu verwalten und durchzusetzen – auch wenn das System unübersichtlich und reformbedürftig ist. In Haft kommt dort nicht der pauschale Tourist, sondern zumeist Menschen mit Einreisedelikten, Vorstrafen oder dokumentierten Gesetzesverstößen.
Unser Fazit
Selbst wenn einzelne Aspekte aus Thomas' Geschichte stimmen sollten: Der Guardian-Artikel ist irreführend, einseitig und journalistisch unredlich.
Er suggeriert, dass ganz normale Touristen in den USA Gefahr laufen, inhaftiert und deportiert zu werden – ohne Hintergrund, ohne Verfahren, ohne Chance.
Das stimmt nicht.
Wir sagen es ganz klar:
Wer als EU-Bürger mit ESTA in die USA reist – legal, offen, ohne Täuschung – hat nichts zu befürchten.
Wird jemand mit einem Overstay erwischt, wird er in der Regel zurückgeschickt, nicht eingesperrt. Nur wer zusätzlich strafrechtlich auffällt oder falsche Angaben macht, riskiert eine Inhaftierung.
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