Der Wegzugsbesteuerung entkommen? Was bei Umzug in die USA gilt
Ein Umzug in die USA kann für Gesellschafter eine hohe Wegzugsteuer auslösen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie diese legal vermeiden.
Ein beruflicher oder privater Umzug in die Vereinigten Staaten von Amerika ist für viele deutsche Unternehmer, Manager und Kapitalanleger ein spannender und chancenreicher Schritt. Doch inmitten der Vorfreude und der organisatorischen Hektik lauert für Inhaber von Kapitalgesellschaftsanteilen eine erhebliche steuerliche Hürde: die deutsche Wegzugsbesteuerung. Diese, in § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) geregelte Steuer, kann den Traum vom Leben in den USA schnell zu einem finanziellen Alptraum machen, wenn sie nicht vorausschauend und strategisch klug behandelt wird.
Für Mandanten der Kanzlei Mount Bonnell, die den transatlantischen Sprung wagen, ist ein tiefes Verständnis der Wegzugsbesteuerung und der spezifischen Regelungen im Kontext des deutsch-amerikanischen Verhältnisses unerlässlich. Dieser Artikel beleuchtet die Funktionsweise dieser „Exit Tax“, die einschneidenden Gesetzesreformen der jüngeren Vergangenheit und zeigt auf, welche legalen Gestaltungsspielräume bestehen, um die Steuerlast zu minimieren oder gar zu vermeiden.
Was ist die Wegzugsbesteuerung und wer ist betroffen?
Die Wegzugsbesteuerung ist im Kern eine Steuer auf fiktive Gewinne. Der deutsche Fiskus fingiert im Moment des Wegzugs, dass der Steuerpflichtige seine Anteile an einer Kapitalgesellschaft (wie einer GmbH oder AG) zum Marktwert verkauft hätte. Die Differenz zwischen den ursprünglichen Anschaffungskosten und diesem fiktiven Veräußerungserlös (dem sogenannten „gemeinen Wert“) wird dann der Besteuerung unterworfen.
Auslöser der Wegzugsbesteuerung ist die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Dies geschieht typischerweise durch die Aufgabe des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland.
Betroffen ist, wer:
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Innerhalb der letzten zwölf Jahre für mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.
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Anteile von mindestens 1 % an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft hält.
Die Tücke liegt darin, dass eine Steuer auf einen Gewinn erhoben wird, der real gar nicht geflossen ist. Es handelt sich um eine Besteuerung von „stillem Vermögen“, was zu erheblichen Liquiditätsproblemen führen kann. Der Wegzügler muss eine oft substanzielle Steuerschuld aus anderen Mitteln begleichen, ohne einen Cent aus dem Verkauf seiner Anteile erhalten zu haben.
Berechnungsbeispiel: Ein Unternehmer hält 100 % der Anteile an seiner deutschen GmbH. Die Anschaffungskosten betrugen einst 50.000 €. Zum Zeitpunkt seines Umzugs in die USA wird der Wert der GmbH von einem Gutachter auf 2.050.000 € geschätzt.
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Fiktiver Veräußerungsgewinn: 2.050.000 € - 50.000 € = 2.000.000 €
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Anwendung des Teileinkünfteverfahrens: 60 % des Gewinns sind steuerpflichtig = 1.200.000 €
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Besteuerung mit dem persönlichen Spitzensteuersatz (angenommen 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer): ca. 47,5 % von 1.200.000 € = ca. 570.000 € Steuerlast
Diese Summe wird mit dem Wegzug fällig, ohne dass der Unternehmer seine Firma verkauft hat.
Die Verschärfung durch die Gesetzesreform 2022: Das Ende der „Ewigkeitsstundung“
Bis Ende 2021 galt für Umzüge innerhalb der EU/EWR eine äußerst vorteilhafte Regelung: Die festgesetzte Wegzugsteuer wurde zinslos und ohne Sicherheitsleistung auf unbestimmte Zeit gestundet. Die Steuer wurde erst bei einem tatsächlichen Verkauf der Anteile oder einem Weiterzug in ein Drittland (wie die USA) fällig.
Mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz, das am 1. Januar 2022 in Kraft trat, wurden diese Privilegien ersatzlos gestrichen. Die Neuregelung behandelt Umzüge in EU-/EWR-Staaten und Drittstaaten wie die USA nun grundsätzlich gleich – und zwar deutlich strenger.
Die aktuelle Rechtslage sieht wie folgt aus:
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Die Wegzugsteuer wird mit dem Umzug sofort fällig.
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Es gibt keine unbefristete Stundung mehr. Stattdessen kann auf Antrag eine Ratenzahlung über sieben Jahre gewährt werden.
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Diese Ratenzahlung wird in der Regel nur gegen Leistung einer Sicherheit (z. B. eine Bankbürgschaft, Grundschuld oder Verpfändung von Wertpapieren) gewährt. Die Beschaffung einer solchen Sicherheit stellt für viele eine erhebliche zusätzliche Belastung dar.
Diese Verschärfung hat die strategische Planung für den Wegzug in die USA noch wichtiger gemacht. Die frühere Möglichkeit, das Problem durch einen "Zwischenstopp" in einem EU-Land zu umgehen, ist entfallen.
Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Deutschland-USA: Ein stumpfes Schwert?
Viele hoffen, dass das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den USA (DBA-USA) vor der deutschen Wegzugsteuer schützt. Dies ist leider ein weit verbreiteter Irrtum. Tatsächlich ist das DBA gerade der Grund für die Existenz der Wegzugsbesteuerung.
Nach Artikel 13 Absatz 5 des DBA-USA hat grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat des Veräußerers das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen. Zieht ein Gesellschafter also in die USA, geht das Besteuerungsrecht für einen zukünftigen Verkauf seiner Anteile von Deutschland auf die USA über.
Die Wegzugsbesteuerung ist Deutschlands Mechanismus, um die bis zum Wegzug in Deutschland entstandenen stillen Reserven zu sichern, bevor das Besteuerungsrecht verloren geht. Das DBA verhindert die Wegzugsteuer also nicht, sondern löst sie im Grunde erst aus.
Könnte die in Deutschland gezahlte Wegzugsteuer wenigstens auf eine zukünftige US-Steuer angerechnet werden? Artikel 23 des DBA sieht zwar eine Anrechnungsmethode vor. In der Praxis ist dies jedoch höchst problematisch:
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Zeitliche Diskrepanz: Die deutsche Steuer fällt beim Wegzug an, die US-Steuer erst Jahre oder Jahrzehnte später beim tatsächlichen Verkauf.
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Fiktiver Gewinn: Die USA müssten eine Steuer anrechnen, die in Deutschland auf einen fiktiven, nicht realisierten Gewinn erhoben wurde. Die Anerkennung einer solchen "fiktiven" Steuer durch den IRS ist keineswegs gesichert.
Im schlimmsten Fall kommt es zur endgültigen Doppelbelastung: Die Wegzugsteuer wird in Deutschland gezahlt, und bei einem späteren Verkauf besteuern die USA den vollen Gewinn erneut.
Die gute Nachricht aus den USA: Der "Step-up in Basis"
Hier kommt eine entscheidende Komponente des US-Steuerrechts ins Spiel, die die gesamte strategische Ausrichtung verändert. Für Personen, die in die USA einwandern und dort steuerlich ansässig werden ("Resident Alien for Tax Purposes"), sieht der US-Fiskus in vielen Fällen einen sogenannten "Step-up in Basis" vor.
Das bedeutet: Die Anschaffungskosten der mitgebrachten Vermögenswerte werden für Zwecke der zukünftigen US-Besteuerung auf den Marktwert zum Zeitpunkt der Einwanderung angehoben.
Was heißt das konkret? Der in unserem Beispiel in Deutschland entstandene Wertzuwachs von 2.000.000 € würde bei einem späteren Verkauf in den USA nicht mehr der US-Kapitalertragsteuer unterliegen. Die USA besteuern nur noch die Wertsteigerung, die nach dem Umzug in die USA entstanden ist.
Dieser "Step-up" ist ein enormer Vorteil, da er die potenzielle US-Steuer auf die vor dem Umzug entstandenen stillen Reserven eliminiert. Gleichzeitig macht er die deutsche Wegzugsteuer zu einer definitiven und finalen Kostenbelastung, da es keinen in den USA steuerpflichtigen Gewinn mehr gibt, auf den sie angerechnet werden könnte.
Die zentrale Frage lautet daher nicht mehr: "Wie vermeide ich eine Doppelbesteuerung?", sondern: "Wie vermeide ich die deutsche Wegzugsteuer von vornherein?"
Die Königsdisziplin: Legale Vermeidungsstrategien vor dem Umzug in die USA
Angesichts der strengen Gesetzeslage und der finalen Belastung durch die Wegzugsteuer ist eine frühzeitige, vorausschauende Gestaltung unerlässlich. Es gibt mehrere legale Wege, die Belastung zu reduzieren oder vollständig zu vermeiden.
Strategie 1: Die Umwandlung in eine Personengesellschaft (GmbH & Co. KG)
Dies ist die mit Abstand effektivste und in der Praxis am häufigsten genutzte Strategie. Der Grund ist einfach: § 6 AStG, die Rechtsgrundlage der Wegzugsbesteuerung, erfasst ausschließlich Anteile an Kapitalgesellschaften. Anteile an einer Personengesellschaft (wie einer KG, OHG oder GbR) fallen nicht darunter.
Der Ablauf sieht wie folgt aus:
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Gründung: Der Gesellschafter gründet eine GmbH & Co. KG. Oft wird er selbst Kommanditist, und eine neu gegründete oder bestehende GmbH wird zur Komplementärin (haftende Gesellschafterin).
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Einbringung: Der Gesellschafter bringt seine GmbH-Anteile steuerneutral nach den Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes in das Betriebsvermögen der GmbH & Co. KG ein.
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Wegzug: Der Gesellschafter zieht in die USA. Da er nun keine Anteile mehr an einer Kapitalgesellschaft direkt hält, sondern eine Beteiligung an einer Personengesellschaft, wird der Tatbestand des § 6 AStG nicht ausgelöst. Es fällt keine Wegzugsteuer an.
Wichtige Voraussetzungen für den Erfolg:
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Keine reine Vermögensverwaltung: Die GmbH & Co. KG muss eine originär gewerbliche Tätigkeit ausüben oder zumindest gewerblich geprägt sein. Eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit könnte von den Finanzbehörden als Gestaltungsmissbrauch angesehen werden.
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Deutsche Betriebsstätte: Die Geschäftsleitung und eine feste Geschäftseinrichtung der Personengesellschaft müssen in Deutschland verbleiben. Das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus der Beteiligung muss bei Deutschland bleiben.
Diese Umstrukturierung ist komplex und erfordert eine sorgfältige Planung und Umsetzung. Sie ist jedoch der sicherste Weg, um die Wegzugsteuer bei einem Umzug in die USA vollständig zu umgehen.
Strategie 2: Die Rückkehrerregelung (§ 6 Abs. 3 AStG)
Sollte ein Umzug in die USA nur für einen absehbaren Zeitraum geplant sein, kann die sogenannte Rückkehrerregelung eine Option sein.
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Wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren nach dem Wegzug nach Deutschland zurückkehrt, entfällt die Wegzugsteuer rückwirkend.
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Diese Frist kann auf Antrag auf insgesamt zwölf Jahre verlängert werden, wenn eine feste Rückkehrabsicht glaubhaft gemacht wird.
Während der Abwesenheit darf der Anteil jedoch nicht verkauft oder in erheblichem Umfang durch Gewinnausschüttungen ausgehöhlt werden.
Weitere Optionen (mit Vorbehalten):
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Verkauf der Anteile vor dem Wegzug: Dies löst zwar eine reguläre Besteuerung in Deutschland aus, schafft aber Liquidität und Klarheit.
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Schenkung/Übertragung der Anteile: Die Anteile können vor dem Wegzug an eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Person verschenkt werden. Hierbei ist jedoch die Schenkungsteuer zu beachten.
Ihr Weg in die USA – Sicher und steueroptimiert mit einer professionellen Beratung
Wie dieser Artikel zeigt, ist der Umzug eines Gesellschafters in die USA aus steuerlicher Sicht eine hochkomplexe Angelegenheit. Die deutsche Wegzugsbesteuerung stellt eine ernste finanzielle Bedrohung dar, die nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Die pauschale Hoffnung auf das Doppelbesteuerungsabkommen oder eine einfache Lösung führt fast immer in eine teure Sackgasse.
Erfolgreiche Planung erfordert Expertise und Weitsicht. Es gibt keine Standardlösung. Jede Situation muss individuell analysiert werden, um die optimale Strategie zu finden – sei es die Umwandlung in eine GmbH & Co. KG, die Nutzung der Rückkehrerregelung oder eine andere maßgeschneiderte Gestaltung. Fehler in der Planung oder Umsetzung können zu unumkehrbaren Steuerbelastungen in sechs- oder siebenstelliger Höhe führen.
Die Experten der Kanzlei Mount Bonnell sind auf das internationale Steuerrecht und die spezifischen Herausforderungen der Wegzugsbesteuerung im deutsch-amerikanischen Kontext spezialisiert. Wir begleiten Sie durch den gesamten Prozess:
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Analyse Ihrer persönlichen und unternehmerischen Situation.
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Bewertung der Chancen und Risiken aller Handlungsoptionen.
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Entwicklung einer maßgeschneiderten, rechtssicheren Vermeidungsstrategie.
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Begleitung bei der praktischen Umsetzung aller notwendigen Schritte.
Kontaktieren Sie uns für ein Erstberatungsgespräch. Wir empfehlen dringend, diesen Prozess mindestens ein bis zwei Jahre vor dem geplanten Wegzug zu beginnen, um alle Weichen für eine erfolgreiche und finanziell sorgenfreie Zukunft jenseits des Atlantiks zu stellen.