Die "Big Beautiful Bill": Steuerreform, Wirtschaftsboom und geopolitisches Signal

Die sogenannte "One Big Beautiful Bill" (OBBBA), auch bekannt als "Big Beautiful Bill", ist ein umfassendes Reformpaket der US-Regierung, das erhebliche Auswirkungen auf Steuerrecht, Wirtschaftsstruktur und internationale Investoren hat. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels ist das Gesetz noch nicht verabschiedet, jedoch wird eine Umsetzung in einer ähnlichen Form durch den Kongress in naher Zukunft erwartet Ziel der Gesetzesinitiative ist es, das Wirtschaftswachstum massiv anzukurbeln, neue Investitionsanreize zu schaffen, sozialpolitische Reformen umzusetzen und gleichzeitig politisches Kapital für die anstehenden Midterm-Wahlen im Jahr 2026 zu generieren.
Kernanliegen des Gesetzes sind die Verlängerung der Steuererleichterungen aus der Trump-Ära, massive Investitionen in Verteidigung und Grenzsicherung, der Abbau klima- und sozialpolitischer Programme der Vorgängerregierung sowie die Einführung neuer steuerpolitischer Mechanismen, die insbesondere ausländische Investoren betreffen.
Für Anleger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ist diese Entwicklung besonders relevant. Das Gesetz bringt nicht nur steuerliche Chancen mit sich, sondern auch erhebliche Risiken, insbesondere durch die Neuregelung im US-Steuerrecht unter Section 899 IRC, die als eine Art "Vergeltungssteuer" gegenüber Ländern mit als diskriminierend empfundenen Steuersystemen verstanden werden kann.
Die Big Beautiful Bill umfasst mehr als tausend Seiten Gesetzestext und wurde unter Nutzung des sogenannten Budget-Reconciliation-Verfahrens im US-Repräsentantenhaus verabschiedet. Dieses Verfahren erlaubt eine Verabschiedung mit einfacher Mehrheit im Senat und ist ein beliebtes Mittel für weitreichende Steuer- und Ausgabengesetze.
Steuerliche Entlastungen für Privatpersonen
Ein zentrales Anliegen des Gesetzes ist die Entlastung der Mittelschicht durch steuerliche Maßnahmen:
Verlängerung der 2017 eingeführten Einkommensteuersätze – Die reduzierten Steuersätze der Trump-Ära bleiben bestehen und werden nicht wie ursprünglich vorgesehen 2026 aufgehoben.
Erhöhter Standardabzug – Der Abzug steigt um 1.000 USD für Einzelpersonen bzw. 2.000 USD für Ehepaare.
Child Tax Credit – Der Kinderfreibetrag wird auf 2.500 USD (House-Version) bzw. 2.200 USD (Senat) angehoben.
Neue Abzugsmöglichkeiten – unter anderem für Trinkgelder (Tip Income), Überstunden, bestimmte Altersausgaben sowie eine Kreditzinsbefreiung beim Auto-Leasing bis 2028.
Erhöhung der SALT-Cap – Die Obergrenze für Abzüge staatlicher und lokaler Steuern steigt bei Einkommen unter 500.000 USD auf bis zu 40.000 USD.
Erbschaftssteuer-Freibetrag – Der steuerfreie Erbanteil wird deutlich erweitert.
Unternehmensanreize und Investitionsförderung
Auch für Unternehmen enthält die Bill zahlreiche Maßnahmen zur Förderung von Investitionen:
Bonusabschreibungen für Anlagen – Die Möglichkeit zur Sofortabschreibung wird bis 2029 verlängert.
Forschungsausgaben voll abzugsfähig – Auch F&E-Investitionen können bis 2029 vollständig geltend gemacht werden.
Lockerung der Zinsabzugsgrenzen – Unternehmen können höhere Schuldzinsen von der Steuer absetzen.
Verlängerung der Opportunity Zones – Investitionen in strukturschwache Gebiete bleiben bis 2033 steuerlich privilegiert.
Steuergutschriften für saubere Biokraftstoffe – bis mindestens 2031.
Dauerhafte Verankerung des 20%-Abzugs für Pass-Through-Entities – Der sogenannte "Qualified Business Income Deduction" (QBI) wird dauerhaft verlängert. Damit können Einzelunternehmen, LLCs und andere Durchgriffsstrukturen pauschal 20 % ihres Nettoeinkommens steuerfrei belassen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Beibehaltung des Körperschaftsteuersatzes von 21 % – Der seit 2017 geltende Körperschaftsteuersatz wird nicht angehoben.
Sonderbesteuerung ausländischer Gewinne – Die Besteuerung von im Ausland erwirtschafteten Gewinnen unter dem GILTI-Regime (Global Intangible Low-Taxed Income) bleibt bestehen. Der nominelle Steuersatz liegt aktuell bei 10,5 %, wobei durch die begrenzte Anrechenbarkeit ausländischer Steuern (80 % Foreign Tax Credit) effektiv rund 13,125 % anfallen. Nach geltendem Recht ist ab 2026 eine Anhebung des GILTI-Steuersatzes auf 13,125 % vorgesehen, was je nach Struktur zu einer realen Steuerlast zwischen 13 % und 16 % führen kann.
Rückbau der grünen Agenda
Die Big Beautiful Bill streicht viele Klima-Maßnahmen der Vorgängerregierung:
Abschaffung von EV-Steuergutschriften – Dies betrifft insbesondere Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur.
Rücknahme von Gutschriften aus dem Inflation Reduction Act – Fördermaßnahmen für saubere Stromproduktion, Wasserstoff, Gebäudesanierung und Energieeffizienz werden massiv gekürzt oder gestrichen.
Ausgabensteigerungen und Sozialpolitik
Erhöhung des Verteidigungshaushalts um 150 Mrd. USD – vor allem für Drohnenprogramme, Satelliten und militärische KI.
Ausbau der Grenzsicherung – 70 Mrd. USD zusätzlich, davon 50 Mrd. für physische Barrieren und 5 Mrd. für Personal und Infrastruktur.
Sozialleistungen mit Arbeitsverpflichtung – Personen in Medicaid oder SNAP müssen künftig nachweisen, dass sie arbeiten oder arbeitsbereit sind.
Budgetauswirkungen
Anstieg des Haushaltsdefizits – Die Congressional Budget Office (CBO) schätzt das Primärdefizit durch die Bill auf rund 2,4 Billionen USD, einschließlich Zinsen bis 2035 auf bis zu 3 Billionen USD.
Versicherungsverluste – Durch die Reformen im Sozialbereich könnten bis zu 10,9 Millionen Menschen ihre Krankenversicherung verlieren.
Section 899 IRC – Risiko für ausländische Investoren
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Einführung von Section 899 IRC. Diese Regelung zielt auf ausländische Investoren, insbesondere solche aus Ländern, deren Steuerregime von den USA als diskriminierend eingestuft werden. Dazu zählen unter anderem Staaten, die Digitalsteuern, Mindestbesteuerungen nach OECD-Standards oder gezielte Quellensteuern auf US-Konzerne eingeführt haben. Deutschland, die Schweiz und auch Österreich fallen mit hoher Wahrscheinlichkeit unter diese Kategorie.
Section 899 sieht vor, dass Einkünfte von Personen oder Körperschaften aus diesen Ländern, die in den USA erzielt werden, mit einem steuerlichen Aufschlag belegt werden können. Dies betrifft insbesondere Zinsen, Dividenden, Lizenzgebühren sowie Gewinne aus Immobilienverkäufen und Betriebsstätten. Die Erhöhung der Quellensteuer kann dabei schrittweise erfolgen, bis zu einem Maximum von 20 Prozentpunkten über dem bisherigen Satz.
Besonders betroffen sind Investmentstrukturen ohne US-Beteiligung. Fondsvehikel, Trusts und Holdinggesellschaften, die in typischen Offshore- oder europäischen Jurisdiktionen ansässig sind und keine hinreichende Substanz oder Verbindung zu den USA nachweisen können, geraten unter Druck. Auch Treaty Claims, also die Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, werden unter Section 899 erheblich erschwert oder sogar ausgeschlossen, wenn das Herkunftsland auf der schwarzen Liste des US-Finanzministeriums steht.
Dies bedeutet konkret: Ein deutscher Investor, der über eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft in US-Immobilienprojekte investiert, muss künftig damit rechnen, dass Dividenden nicht mehr mit 15, sondern mit bis zu 35 Prozent besteuert werden. Auch bei Veräußerungsgewinnen kann es zu einer deutlich höheren Steuerlast kommen, insbesondere wenn der wirtschaftlich Berechtigte aus einem betroffenen Land stammt und keine effektive Steuerstruktur nachweisen kann.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die potenzielle Nichtanerkennung von DBA-Vorteilen. Section 899 könnte als Treaty Override wirken, also bestehende Doppelbesteuerungsabkommen durch nationale Gesetzgebung aushebeln. Dies ist ein Bruch mit bisherigen internationalen Gepflogenheiten und dürfte zu erheblichen rechtlichen Unsicherheiten führen.
Das US-Finanzministerium erhält mit Section 899 die Befugnis, vierteljährlich eine Liste der "diskriminierenden Länder" zu veröffentlichen. Für Investoren bedeutet das eine permanente Unsicherheit: selbst bei einer strukturell sauberen Planung kann sich das steuerliche Umfeld durch eine Neubewertung des Herkunftsstaats schlagartig ändern.
Hinzu kommt, dass bereits bestehende Strukturen unter dem neuen Gesetz nachgemeldet und umstrukturiert werden müssen. Meldepflichten wie das Formular 5472 für ausländisch kontrollierte US-Gesellschaften gewinnen an Bedeutung, ebenso wie Beneficial Ownership Reports nach dem Corporate Transparency Act.
Was bedeutet das für Investoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz?
Strukturierung und Compliance gewinnen drastisch an Bedeutung. Klassische Private Equity- oder Immobilienstrukturen sollten überdacht werden. Es kann erforderlich sein, US-Blocker-Gesellschaften einzuführen, Treaty-konforme Holdings zu nutzen oder alternative Finanzierungsmethoden wie Portfolio Interest zu bevorzugen.
Steuerliche Impact-Analysen werden Pflicht. Wer eine Beteiligung in den USA hält oder plant, muss künftig Szenarien mit erhöhten Quellensteuerbelastungen durchspielen und die Tragfähigkeit seiner Struktur überprüfen. Auch die Finanzierungskosten und Renditeprognosen müssen angepasst werden.
Juristische Beratung wird zur Voraussetzung. Die Interpretation von Section 899 und die Abstimmung mit den jeweiligen DBA-Regeln sind komplex und dynamisch. Die Gefahr, versehentlich als "disqualified person" eingestuft zu werden, ist real und kann teuer werden.
Fazit
Die Big Beautiful Bill bietet Chancen für US-Investoren – insbesondere im Bereich Infrastruktur, Fertigung und Steuerentlastung für amerikanische Mittelständler. Für ausländische Investoren aus der DACH-Region stellt das Gesetz jedoch eine signifikante Herausforderung dar. Section 899 IRC könnte in seiner Wirkung mit dem früheren "FATCA" vergleichbar sein – ein extraterritoriales Steuerregime, das zur Neubewertung ganzer Investmentstrategien führen kann.
Wer weiterhin erfolgreich in den USA investieren möchte, sollte seine Struktur zeitnah prüfen, anpassen und sich auf eine Phase hoher regulatorischer Unsicherheit vorbereiten. Wir unterstützen Sie dabei mit strukturierter Beratung, steuerlicher Analyse und operativer Begleitung.