Die US-Wirtschaft ist gleichzeitig zu heiß und zu kalt
Die Wirtschaft wirft weiter Fragen auf. Zwar kann weiterhin ein starkes Wachstum verzeichnet werden, doch die Inflation steigt ebenso. Eine kurzfristige Änderung der Situation wird nicht erwartet.
Die Wirtschaft bleibt ein Phänomen und tut sich schwerer mit dem Neustart, als es im Frühjahr noch anzunehmen war. Mitte 2021 bieten Arbeitgeber höhere Löhne an, um knappe Arbeitskräfte anzuziehen und der nächste Woche erscheinende Bericht des Bruttoinlandsprodukts wird ein immenses Wachstum zeigen. Es ist aber auch eine Wirtschaft, in der die Inflation die Lohnzuwächse für viele Arbeitnehmer übersteigt und der Anteil der arbeitenden Bevölkerung weit unter dem Niveau vor der Pandemie bleibt.
Nachfrage kann nicht bedient werden
Die Biden-Administration und die Federal Reserve setzen darauf, dass sie einen reibungslosen Übergang zu einer Wirtschaft erreichen können, die sich des Wohlstands erfreut, ohne eine frustrierend hohe Inflation zu verursachen. Dafür muss ein riesiges Missverhältnis zwischen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und dem Angebot an diesen behoben werden. Es ist nicht klar, wie lange das dauern wird.
Die Verbrauchernachfrage ist außergewöhnlich hoch. Die Einzelhandelsumsätze waren im Juni 20 Prozent höher als im Juni 2019. Die Unternehmen hatten es aber schwer, die Produktion zu steigern, um die Nachfrage zu befriedigen. Lieferengpässe sind in vielen Branchen zu beobachten. Die Prognostiker hatten im Frühjahr anderes erwartet.
Karen Dynan, Harvard-Ökonomin und ehemalige Beamtin bei der Federal Reserve und dem Finanzministerium, ist der Auffassung, dass solche Reibungen hätten erwartet werden sollen. Sie sieht diese auch in daher Zukunft weiterhin bestehen.
Verbraucherpreisindex steigt schneller als die Löhne
Die Folge ist eine hohe Preisinflation, sodass es unklar ist, ob es den Arbeitnehmern durch die Lohnerhöhungen wirklich besser geht. Die durchschnittlichen Stundenlöhne im privaten Sektor stiegen in den ersten sechs Monaten des Jahres langsamer als der Verbraucherpreisindex.
Der Chefökonom für die USA bei Capital Economics, Paul Ashworth, nutz für die aktuelle Phase den Begriff Stagflation. Es ist eine Kombination aus stagnierendem Wachstum und Inflation. Das reale Wachstum ist zwar stark, allerdings schwächer als erwartet. Die globalen Finanzmärkte weisen starke Schwankungen auf, die immer mehr darauf hindeuten, dass die kommenden Jahre den schleppenden 2010er Jahren ähneln werden.
Was bedeutet das für die zu heiße und zu kalte US-Wirtschaft? Es wurde viel getan, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und es gibt keinen Mangel an Nachfrage von Amerikanern, die sich aktuell vieles leisten können. Bis die Wirtschaft aber ein neues Gleichgewicht von Preisen, Löhnen, Produktion und Nachfrage gefunden hat, werden sich die Dinge nicht richtig anfühlen.